„Michael Breisky, ausgewiesener Kenner von Leopold Kohr und ehemaliger Diplomat, legt in diesem Buch „Menschliches Maß“ eine Analyse unserer sozio-ökonomischen und sozio-ökologischen Gefährdetheit vor und versucht im Kohr’schen Denken die grundsätzlichen Strategien zur Bewältigung unserer ökonomischen und politischen Konflikte aufzuzeigen. „Allein gelassen, reiten sich alle Erfolgsprinzipien zu Tode; Mäßigung finden sie nur in der Be gegnung mit etwas anderem. Das ist ein ehernes Gesetz des Universums“ – das hier ins Bild gebrachte Prinzip von „checks and balances“ wird hier zu einer Brille, durch die Breisky eine Sichtweise auf unsere Konfliktfelder gewinnt, bei der schon methodisch -logisch die Lösungsoptionen offen gelegt werden: Jeder ideelle Wert braucht seinen Gegenwert und die Bestimmung des richtigen Maßes der beiden konkurrierenden Werte gelingt nur in Auseinandersetzung mit der Zweckmäßigkeit des Maß-Setzens in jeweils überschaubaren Räumen, jenen Räumen wirksamer Verantwortung des Menschen für sich, die lokale Gemeinschaft und die Natur. In Anwendung dieser Sichtweise weist Breisky auf, wie die verschiedenen aktuellen Umwelt – und Sozialbe- Bwegungen – beispielsweise von der Lokalwährung, über die Transition-Town-Bewegung oder Gemeinwohlökonomie – genau diese Funktion der Gegenwert-Setzungen erfüllen. Schnell erkennt man, wie die angesprochenen Alternativen für Wirtschaft und Gesellschaft plötzlich logisch und gerade nicht utopisch sind.
Wäre die Evolution nach den heutigen Prinzipien der Maßlosigkeit verlaufen, gäbe es uns nicht. Äußere und innere Grenzen, an die man stieß, führten zu dem was man heute als menschliches Maß bezeichnet, jenen Zustand, in dem der Einzelne, wie auch die Gesellschaft zur Harmonie mit sich und der Umwelt finden kann. Durch die wechselseitige Anpassung über Jahrmillionen entstanden die Voraussetzungen für Vielfalt, Tragfähigkeit und Resilienz, aber auch die Verletzlichkeit der jüngeren Schichten der Evolution, die zwischen die bewährten älteren eingeschoben werden konnten. Die aus den Naturwissenschaften der Neuzeit entstandenen linearen Vorstellungen mit den erfolgreichen Eingriffen in ein komplexes System, bevor man dieses verstanden hat, mit Hilfe der technischen Entwicklungen, haben den Menschen und seine Gesellschaft überformt und durch ihre vordergründigen Wirkungen Erwartungshaltungen erzeugt, die weit in das Übermenschliche hineinragen. Die bedenkenlose und billige und leichte Nutzung fossiler Energie, ließ den Eindruck entstehen, die causa effiziens wäre die causa finalis, das Mittel wurde zum Zweck. Aus der lebenserhaltenden negativen Rückkopplung eine positive und im Unverständnis für die Rolle des Geldes und der Finanzen dieses zum übergeordneten Zweck erhoben. Positive energetische Rückkopplungen ohne Begrenzungen führen zur Zerstörung, ob es sich um eine unkontrollierte Nuklearexplosion, einen Waldbrand oder die entgrenzte Finanzindustrie handelt.
Michael Breisky nimmt das Abenteuer und die Last der Verantwortung auf sich, aus seiner lebenslangen Erfahrung und kritischen Sicht der Entwicklung, aufbauend auf den Arbeiten zahlreicher Vordenker, wie Leopold Kohr, E.F. Schuhmacher, Konrad Lorenz, Rupert Riedl und vieler anderer, sich wieder dem menschlichen Maß anzunehmen, dem einzigen, das zu uns passt. Das menschliche Maß, das gegenüber dem unmenschlichen der Maschinen und ihren Produkten der Industrie, zu der auch die der Finanzen verkommen ist, so klein erscheint, aber in der Empathie zur Umwelt und den Mitmenschen, der Zuneigung, der Fähigkeit zur Schönheit und Liebe alles übersteigt und vor dem sich die scheinbare Übermacht des Dämons „Mammon“ im Nichts auflöst. Ein Buch das helfen kann, wieder zu sich selbst zurückzukommen, aus dem Wahntraum des Wachstums nach außen, das nur durch noch mehr Zerstörung möglich ist, zu dem nach innen zu finden, wo das richtige Maß immer in der Nähe liegt. Verliert der Mensch weiterhin sein Maß, wird ihn auch die Evolution verlieren.
em.o.Univ.Prof. Dkfm. Dr. Alfred Kyrer
Das interdisziplinär angelegte Werk beginnt mit einem analytischen Teil (rund 90 Seiten), das ein an der Menschennatur ausgerichtetes Weltbild entwirft; darauf aufbauend werden Schlussfolgerungen für Demokratie-, Wirtschafts- und Europa-politisches Handeln entwickelt.
Michael Breisky untersucht zunächst die sich verschärfenden Krisen in der Anwendung „Großer Ideen“ der Aufklärung unter dem Gesichtspunkt ihrer Tendenzen zu wachender Komplexität und linearer Fortschreibung bis in den Exzess. Die Gefährlichkeit dieser Entwicklung liegt in der Fähigkeit zur Selbstorganisation dieser Exzesse, wie insbesondere an Maßlosigkeit und Gier im Finanzbereich beobachtet werden kann – daher auch der journalistisch verknappte Mammon-Begriff im Buchtitel (schon Oskar Just und John Kenneth Galbraith haben eine zu starke Ausrichtung der Politik auf einseitige monetäre Inhalte scharf kritisiert).
Breisky übernimmt Leopold Kohrs Lehre vom Menschlichen Maß und baut sie auf der Grundlage der Entwicklungstheorie weiter aus: Während sich Kohr auf die Probleme unmäßigen Größenwachstums konzentriert; untersucht Breisky das dahinter liegende Spannungsverhältnis zwischen linearer, der Vernunft folgender Effizienz und dem notwendigen ganzheitlichen Flankenschutz. Weil sich dieser aus Zwängen der biologischen Evolution vor allem auf ortsgebundene Überschaubarkeit stützen muss, wird der Vorrang lokaler Problemlösungen und die strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips letztlich zur Überlebensfrage menschlicher Gesellschaften.
Diesen Befund verstärkt der Autor durch Martin A. Nowaks Kooperations-Theorie , die gleichfalls starke evolutionstheoretische Bezüge enthält: Demnach ist in Situationen mit hoher Wiederbegegnungs-Wahrscheinlchkeit – wie das in einem überschaubaren Umfeld der Fall ist – das Kooperations-Prinzip dem in der Marktwirtschaft geradezu vergötterten Konkurrenz-Prinzip überlegen.
Die aus diesem Weltbild zu ziehenden Konsequenzen mahnen Skepsis gegenüber der herrschenden Wachstums-Euphorie ein, was nicht nur auf eine Reform der Geld- und Zinspolitik sondern auch ganz allgemein auf eine starke regionale Ausrichtung hinausliefe. Generell fordert Breisky von der Demokratie-, Wirtschafts- und Europa-Politik:
• so viel Kooperation wie möglich, bei soviel Konkurrenz wie nötig;
• so viel Überschaubarkeit wie möglich, bei so viel Komplexität wie nötig; und
• so viel Dörflichkeit wie möglich, bei so viel Globalisierung wie nötig.
Anhand zahlreicher alternativer Pilot-Projekte, die erfolgreich verlaufen, argumentiert der Autor, dass die weitgehende Umsetzung dieser Forderungen durchaus möglich ist, wie überhaupt seine konkreten Vorschläge pragmatisch-evolutionär angelegt sind; das gilt insbesondere auch für seine Europa-politischen Reform-Ideen. Ihre tatsächliche Umsetzung hängt angesichts der zögerlichen Haltung des politischen Establishments allerdings von der Nachdrücklichkeit zivilgesellschaftlicher Initiativen ab. Angesichts der diskursiven Dynamik solcher Initiativen hält Breisky ihre Erfolgschancen – unbeschadet zu erwartender schwerer Rückschläge – für durchaus intakt.
Der Schlussteil (20 Seiten) stellt – wohl als Karotte für die Zivilgesellschaft – ein „gutes Leben“ im Sinne Aristoteles in Aussicht, wobei Breisky ohne wissenschaftliche Grenzüberschreitung auch auf die spirituellen Bedürfnisse des Menschen und ihre Rückwirkungen eingeht. Offenbar zustimmend wird schließlich Jeremy Rifkins „empathische Zivilisation zitiert, wo die Evolution auf Grund der global festzustellenden psychologischen Verdichtung den Homo sapiens schließlich zu einem Homo emathicus machen könnte.
Michael Breisky unternimmt mit seiner überzeugenden Analyse den Versuch, über die Zivilgesellschaft auch die Politik wachzurütteln und von falschen ausgetretenen Pfaden abzubringen. In diesem Sinne ist das Buch über die Tagespolitik hinaus hochaktuell und zeigt mögliche Lösungsansätze auf, um sozialen Ungleichgewichten und der Verschwendung von Ressourcen entgegen zu wirken. Als schlüssig geführter und gut dokumentierter Weckruf könnte das Buch dazu beitragen, eine nachhaltigere, effizientere und effektivere Politik in Österreich und Europa zu erreichen. Ein wichtiges Buch.
Christian Vötter, Leopold Kohr Akademie:
„Das Überdimensionale aus dem Buch der Rekorde“, schreibt Leopold Kohr, „dient bloß dem kurzlebigen Nervenkitzel. Nur das Maßvolle und Überschaubare bleibt!“ Was ist das menschliche Maß, wie wird es gemessen und wohin geht die Reise der Suchenden? In überzeugender Weise stellt sich diesen Fragen der frühere Diplomat Michael Breisky, der u.a. österreichischer Botschafter in Irland und New York war. Durch seinen Einsatz für die Südtiroler Autonomie stieß er schon in den 1980er Jahren auf Kohrs Ideen und wurde 2000 Gründungsmitglied des wissenschaftlichen Beirats der Leopold Kohr Akademie.
Breiskys Antworten sind bei aller Aktualität ganz im Geiste Kohrs gehalten, und so gelingt es ihm den Leserinnen und Leser einen Weg zu zeigen, der uns auf ein erwachen des menschlichen Maßes hin führt. (oder:“… zu zeigen, wie menschliches Maß heute politisch umgesetzt werden kann.)“
Helmut Woll, Zeitschrift für Sozialökonomie (ZfSÖ). Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialpolitik, Bodenrecht, Geld- und Währungspolitik
Michael Breisky, ausgewiesener Kenner von Leopold Kohr und ehemaliger Diplomat, legt in diesem Buch eine Analyse unserer sozio-ökonomischen und sozio-ökologischen Gefährdung vor und versucht, im Kohrschen Denken Strategien zur Bewältigung dieser Krisen aufzuzeigen. Ausgangspunkt von Breisky und Kohr ist die Entgrenzung des sozialen Lebens. Es wurde eine rote Linie überschritten, die Menschen haben ihre Mitte, das Gefühl für das menschliche Maß verloren. Es herrscht der Mammon, die Sucht nach immer mehr ohne Rücksicht auf Verluste der Natur und der menschlichen Begrenztheit. „Ich bin überzeugt, die Bedrohung der Menschheit liegt heute in der Maßlosigkeit dessen, was sie als ihre Erfolgsprinzipien ansieht und wirklich menschenwürdig kann ein Überleben nur sein, wenn wir den überall wehenden Geist der Verbundenheit wieder finden und stärken; er ist es ja der Qualität über Quantität stellt und Kooperation über Wettbewerb; und der damit den Weg zu gelungenem Leben weist.“ (S. 9) Breisky beruft sich bei seinen Reformvorschlägen vor allem auf die Lehre von Leopold Kohr und E. F. Schumacher zum menschlichen Maß (small is beautiful), auf die Freigeldlehre von Silvio Gesell und vor allem auf eine Wiederbelebung
des ‚Geistes der Verbundenheit‘ sowie des ‚heiligen Geldes‘ des amerikanischen Kulturphilosophen Charles Eisenstein. Aufbauend auf diesen Autoren werden 7 Reformvorschläge von Breisky ausgeführt:
1. Allmähliche Zins-Reduktion bis hin zu Negativzinsen, also ein ‚Schrumpf-Geld‘ im Sinne von Silvio Gesell.
2. Steuerliche Förderung des ‚Commons‘ (Allmende). Grund und Boden oder kollektive Produkte der menschlichen Kultur sollten tunlichst nicht im Eigentum von Privatpersonen stehen.
3. Volle Kostenwahrheit nach dem Verursacherprinzip durch Internalisierung statt Auslagerung der ökologischen und sozialen Kosten.
4. Wirtschaftliche Regionalisierung im Sinne von Leopold Kohr. Wenn die Produktion und der wirtschaftliche Austausch regional sind, dann werden auch die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Gesellschaft und die Umwelt viel klarer ersichtlich, und das verstärkt unser angeborenes Gefühl für Kooperation.
5. Angepasste Technologien und ökologische Landwirtschaft im Sinne von E. F. Schumacher. Zudem erlauben technische Errungenschaften eine Auszahlung einer sozialen Dividende an jedermann.
6. Rücknahme des BNP-Wachstums. Schwundgeld, eine auf Ressourcen basierende Wirtschaft und die soziale Dividende ermöglichen zusammen eine solche Postwachstumsökonomie, die das Geld zu jenen fließen läßt, die es ausgeben müssen.
7. Kultur des Schenkens: Geld ist unfähig, die Zirkulation und die Weiterentwicklung der vielen nichtquantifizierbaren Dinge zu fördern, die das Leben erst reich machen. Breisky geht es nicht einfach um eine politische und soziale Reform der kapitalistischen, globalisierten Ökonomie, sondern um eine Metamorphose zugunsten eines Gelungenen Lebens. „Wie gesagt mag ein selbstbestimmtes Gutes Leben in Reichweite sein, es wird aber auch schon aus ökologischen Gründen kaum sorgenfrei sein; ja schon das bloße Überleben des Mensche ist heute in Gefahr. Wir brauchen daher dringend ein neues Selbstverständnis, das uns rational wie emotional überzeugt, und das daher auch auf Spiritualität wird setzen müssen.“ (S. 221) In diesem Sinne ist erst Halbzeit im Kampf gegen den schnöden Mammon. Das Buch deswegen Halbzeit zu nennen klingt etwas zu profan. Es ist außerdem schade, dass der Auto den Freund von Leopold Kohr und Bruder im Geiste, Ivan Illich und seine Denkweise, fast nicht erwähnt. Hier wäre er auf der Suche nach einer neuen Haltung noch fündiger geworden. Er hätte festgestellt, dass es nicht nur um kluge ausgedachte Vorschläge geht, sondern um eine neue Denkhaltung, um eine neue wissenschaftliche Methode.